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Buchbesprechung: Meike Stoverock – Female Choice

Female Choice bezeichnet ein (fast) universelles Prinzip der Natur: Das Männchen bewirbt sich für
Sex, und das Weibchen entscheidet, wer zum Zuge kommt. Je nach Art und Gattung entscheidet sich
die Dame für das Männchen, das am schönsten singt, das beste Nest baut, am grössten und stärksten
ist oder sich als geschickter Nahrungsbeschaffer erweist. Immer aber, so schreibt die Biologin
Stoverock, entscheidet das Weibchen über den Zugang zu Sex. Female Choice eben.
Das galt einst auch beim Menschen. Analysen am Erbgut zeigen, dass sich über die Zeit lediglich etwa
20% der Menschenmännchen tatsächlich vermehrt haben. Da es Pille und Kondom noch nicht so
lange gibt, hatten die anderen 80% bei den Weibchen einfach wenig Chancen.
Mit der Sesshaftwerdung des Menschen ergab sich daraus ein Problem: Ein paar wenige hatten alles,
viele hatten nichts – und eben auch keine Frau. Und wenn in einer Stadt viele sexuell frustrierte
Männer leben, wird eben dies zu einem Problem.
Die «Lösung» dieses Problems, schreibt die Autorin, bestand in der «Erfindung» der Monogamie.
Dabei wurde die Frau enteignet: körperlich, seelisch, geistig und eben auch sexuell war sie lange,
lange Zeit nicht mehr unabhängig, sondern wurde als «Ware» betrachtet. Aber dafür hatte fast jedes
Männchen ein Weibchen. Das war das Ende von Female Choice beim Menschen.
Das ändert sich erst seit kurzem: Frauen können sich ihre Sexualpartner wieder selbst aussuchen,
jedenfalls in diesem Teil der Welt. Und, kommt «Female Choice» zurück? Die Autorin meint, ja. Und
sie bringt Beispiele. Etwa: dort, wo die Kinderbetreuung stark staatlich organisiert und eine Frau bei
der Kinderaufzucht nicht so sehr auf einen Partner angewiesen ist, gibt es eine grösser werdende
Gruppe von Männern, die unfreiwillig «enthaltsam» leben, während einige Männer mit
verschiedenen Partnerinnen Kinder haben.
Und eine Datenanalyse des Datingportals okcupid zeigt: Ein paar wenige Männer holen sich all die
Likes der Frauen ab: rund 60% der Männer werden von Frauen als unattraktiv beschrieben, und nur
jeder sechste, das sind 17%, gilt den Frauen als attraktiv, und dazwischen tummeln sich auch noch
ein paar. Und über alles betrachtet haben wir auch hier wieder das 80/20 – Muster: 20% der Männer
holen sich die Likes ab, die anderen 80% kriegen wenig.
In modernen Gesellschaften, so konstatiert die Autorin, kommt also Female Choice zurück. Wie aber
lässt sich das Problem der «leer ausgehenden Männer» lösen? Meike Stoverock plädiert für eine
Aufwertung und eine gesellschaftliche Akzeptanz von Ersatzhandlungen: Pornografie, Prostitution,
Sexroboter. So sollen die Männer befriedigt werden, die keine Frau finden.
Weiter müssten die gesellschaftlichen Normen, insbesondere die «romantische Paarbeziehung»
überdacht werden und damit auch: die Monogamie. Denn diese liege offensichtlich nicht im
Interesse insbesondere der Frauen, die ihre Sexualpartner frei wählen sollen.
Die Autorin hinterfragt, argumentiert leidenschaftlich – und setzt sich auch der Kritik aus. Kritisiert
wird unter anderem das Prinzip «Female Choice» überhaupt – so etwas gäbe es nicht, meinen die
einen, andere stören sich an den Lösungsvorschlägen für die unfreiwillig zölibatär lebenden Männern
– diese seien nicht umsetzbar. Zudem sei das Buch zu stark vereinfachend.
Unter dem Strich bleibt mein persönliches Fazit: Das Buch gehört gelesen, es gehört diskutiert, es ist
zuweilen, obwohl sehr zugänglich geschrieben, harte Kost, weil es unsere Idee von Beziehung und
Sexualität radikal hinterfragt. Wer immer sich aktuell mit diesen Themen auseinandersetzt, kommt
an diesem Buch nicht vorbei.

Feminismus, Literatur


Roman

Wanderer zwischen den Erfahrungswelten - neugierig sein Leben lebend - fasziniert von der Liebe, von der Freundschaft, von den Menschen - überzeugt von der heilenden Kraft liebender Berührung - versucht Intellekt, Emotion und Körper zusammenzubringen und weiss: Das Leben ist schön.