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Immer dieses Drama!

«Viola, bei aller Liebe! Ich schätze dich sehr und will dich immer unterstützen, aber manchmal check ich einfach nicht, wieso ihr das macht??! Das ganze Drama, alle diese intensiven Gefühle, der schmerzende Wunsch nach Sicher- und Geborgenheit, diese ganze non-stop Selbstfindung – du hast alles, was man für ein glückliches Leben braucht und machst es dir zeitweise trotzdem so unfassbar schwer mit dieser Beziehungsform.»

Ohje, da hat meine Freundin einen wunden Punkt getroffen. Ich merke, wie ich den Tränen nahe bin. Ich hatte gerade über meine Schwierigkeiten mit Eifersucht gesprochen. Hat sie Recht? Bin ich selbst schuld, dass ich immer mal wieder eine existenzielle Krise durchlebe und nicht weiss, wo ich mit all diesen schwierigen Emotionen hinsoll? Gibt es ein Übermass an Geschwindigkeit, mit welcher man an sich zu arbeiten versucht? Überfordere ich mein Nervensystem, Immunsystem, meine Psyche und mein Umfeld und werde schlussendlich noch nicht einmal glücklich? Muss dieser Stress wirklich sein oder ist er ein Hinweis darauf, dass ich auf dem Holzweg bin?

Mein Therapeut beruhigt mich ein bisschen. Es sei schon nicht falsch, dass ich mich einer sehr anstrengenden Auseinandersetzung mit mir und anderen Menschen widme. Und dennoch unterscheiden sich Menschen nun mal stark darin, wie fest sie sich an der Welt reiben wollen und wie tief sie in gewisse Prozesse eintauchen wollen. Das ist weder gut noch schlecht – es ist eine individuelle Art zu leben. Es stellt mich sehr unmittelbar vor all meine Unzulänglichkeiten und Baustellen. Und es belebt mich – auf unzählige Arten. Bis jetzt scheine ich meistens noch einigermassen bei Verstand zu sein (glauben mein Therapeut und ich zumindest).

Folgender Gedanke spendet mir Trost: Manche Polys – offensichtlich gehöre ich dazu –  tragen eine hohe Bereitschaft zu Schmerz in sich. Kann sein, dass das auch ein Hang zu irreführender Romantik ist. Dass meine (Gefühls-)Welt in allen schönen Farben schillern kann bedeutet auch, dass innerliche Unruhe, Trauer, Wut und Angst in hohem Masse just um die Ecke auf mich warten. Ja, ich glaube ich habe diese Probleme (oder ihr Ausmass) gewählt – so wie sich jede*r auf eine eigene Art manche Probleme wählt, mit welchen man sich rumschlagen will. Und sie führen nicht nur dazu, dass ich mich ab und zu in den Schlaf weine, sondern auch, dass ich unglaublich intensive Liebes- und Freundschaftsgefühle in mir trage und ganz ganz GANZ viel über mich lerne. Weil ich muss. Weil ich müssen will. Ich fühle mich lebendig – trotz und wegen diesem Teilzeitdrama, das mein Leben durchzieht. Meine Freundin hat also nicht unrecht – und das ist aber okay. Ich bin zugleich auch froh, habe ich diesen Abgleich mit der Umwelt. Denn auch die Meinungen meiner Freunde sind wichtige Reibungen, die mich zu Reflektionen wie diesen anregen.

Eifersucht, Erfahrungsberichte


Viola

Will sich bewusst dafür entscheiden, welche Denkmuster sie in ihrem Leben anwendet. Ist Feministin und möchte nie aufhören sich zu überdenken. Fühlt viel und gerne. Liebt neue Ideen, empathische Menschen, gute Bücher, sinnliche Berührungen und philosophische Gespräche bei einem Glas Wein.