Skip to main content

Let’s talk about sex (ually transmitted diseases)

Es war nicht einer seiner klarsten Momente, in dem sich der Komponist Adrian Leverkühn bewusst mit Syphilis infiziert hat. In der Hoffnung, dass die sexuell übertragbare Krankheit, welche im fortgeschrittenen Stadium das zentrale Nervensystem und somit das Gehirn angreift, ihm zu künstlerischer Inspiration verhelfe, verstirbt er letztendlich – so von Thomas Mann im Jahre 1947 im Roman «Doktor Faustus» beschrieben – ironischerweise an einer Hirnhautentzündung. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2020 und während die Zahl der Künstler*innen, die sich – mit der Absicht das Nirwana der Kreativität zu erreichen – mit sexuell übertragbaren Krankheiten anstecken gegen null tendiert, sind Syphilis, Chlamydien und ihre kleinen Freunde noch immer ein ernst zu nehmendes Thema. Und weil man über sexually transmitted diseases, kurz STDs, nie zu viel wissen kann und weil STDs viele sexuell aktive Mitmenschen (so wie mich) oft beunruhigen, kommt hier ein stark kondensierter Überblick:

Was sind STDs?

Unter den Sammelbegriff STDs fallen mikroskopisch kleine Viecher, die durch Sexualkontakt von Mensch zu Mensch übertragen werde. (Oder wie im Falle des 1. HIV Patientens,  laut  Parodien verschiedener Zeichdentrickserien auch von Affe zu Menschen). In diese Kategorie fallen Bakterien (sowie Chlamydien, Syphillis, Gonorröh und einige weniger verbreite Erreger), Viren (HIV, das Humane Papillomavirus, Hepatitis B Viren und das Herpes Simplex Virus), Pilze (Candida albicans) und Parasiten. Sie alle haben gemeinsam, dass sie beim penetrativen als auch beim oralen Geschlechtverkehr übertragen werden können.

«Ich fühle mich gesund und habe keine Probleme mit meinen Genitalien, also habe ich keine STD. Ausserdem benutze ich immer ein Kondom.»

Auch ich habe mir das schon öfters gesagt (und lag damit glücklicherweise bisher immer richtig), doch leider ist diese Rechnung etwas komplizierter als 3. Klasse Mathematik. Während bei den wichtigsten bakteriellen Infektionen (Chlamydien, Gonorröh, Syphillis) unter anderem Beschwerden wie Entzündungen der Harnröhre mit schmerzhaftem Wasserlassen oder gelb-rahmiges Sekret aus Harnröhre (mmmh) entstehen könne, fehlen diese Symptome oft. Und auch die schmerzhafte Ulzeration, die am Infektionsort der Syphilis entsteht, wird nicht selten übersehen; bildet sie sich doch nach einigen Wochen von alleine wieder zurück. Egal, ob du die Symptome zeigst oder nicht, kannst du die Erreger an deine Sexualpartner weitergeben. Deshalb ist es wichtig, sich regelmässig auf STDs testen zu lassen, auch wenn du keine Beschwerden hast. Leider schützen auch Kondome nicht vollständig vor den fiesen Bakterien und beim Oralsex und Küssen können Chlamydien, Gonorröh und Syphillis ebenfalls übertragen werden.

«Ich hatte ungeschützten Sex mit jemandem, der/die noch nie einen HIV Test gemacht hat, und jetzt mach ich mir Sorgen, mich mit AIDS angesteckt zu haben»

Neben den oben beschriebenen bakteriellen Infektionen gibt es auch virale Infektionen, darunter das bekannte HI-Virus (Humanes Immundefizienz-Virus). Während Leute, die HIV in sich tragen HIV+ positiv sind, haben Sie jedoch meistens kein AIDS. AIDS bezeichnet nämlich ein fortgeschrittenes Stadium der HIV-Infektion, bei welchem das Immunsystem so stark geschwächt ist, dass es zu opportunistischen Krankheiten kommt, die bei jemandem mit einem intaken Immunsystm nicht vorkommen. Doch das gute zuerst: Die Wahrscheinlichkeit, sich bei sexuellen Kontakten mit HIV anzustecken ist verschwindend klein (etwas mehr als 1%, wenn du beim ungeschützten Analverkehr der/die empfangende Partner*in bist, weniger als 0.1% wenn du beim ungeschützten Vaginalverkehr der/die empfangende oder einführende Partner*in bist). Das bedeutet aber auch, dass bei jedem ungeschützten penetrativen Geschlechtsverkehr eine Wahrscheinlichkeit der Infektion besteht. Kondome bieten hier aber einen fast kompletten Schutz und die Übertragung bei oralem Verkehr ist nur theoretisch belegt. Durch die Fortschritte der Medizin und der hochaktiven retroviralen Therapie (HAART) gegen HIV kann der Virus zwar noch nicht besiegt werden, doch die Virenzahl im Körper wird so drastisch minimiert, dass eine Übertragung nicht mehr möglich ist und die Lebenserwartung der betroffenen Personen quasi normal ist. 

«Ich habe Blasen nach dem Blasen»

Jeder kennt die unangenehmen, nässelnden Bläschen an der Lippe, auch bekannt als Herpes simplex  Virus 1. Neben den bekannten Bläschen an der Lippe gibt es aber auch den grossen Bruder, den Herpes Simplex Virus 2, der fast ausschliesslich über Geschlechtsverkehr übertragen wird, und die Haut der Genitalorgane und den Anus befallen kann. Ein anderer Grund für Bläschen in der Intimzone kann das Humane Papillomavirus  (HPV) sein. Während einige HPV Viren nur ästhetische Probleme machen können, führen andere im Laufe der Jahre bei Frauen und auch Männern Krebs des Gebärmutterhalses, der Vagina, des Anus oder auch des Penis. Wenn du also Bläschen im Intimbereich feststellst, ist es das Beste, diese einer medizinischen Fachperson zu zeigen. (Das ist vielen Leuten unangenehm, aber keine Sorge, sie/er hat schon skurilere Dinge zu Gesicht bekommen, als ein paar Bläschen an einem Ort, wo normalerweise keine Bläschen sind.)

«Soll ich mich also testen lassen, und falls ja, auf was? Und was passiert da?»

Wenn du Sex mit wechselnden Partner*innen hast, ist die Empfehlung, sich einmal jährlich auf STDs zu testen. Bei mehr als zehn Sexualpartner*innen empfiehlt sich das Testen zwei Mal im Jahr. Bei deinem Hausarzt oder deiner Hausärztin gibt es entweder einen HIV Schnelltest, bei dem du in 30 Minuten ein Resultat hast, oder das Labor untersucht dein Blut. Für Chlamydien, Syphilis und Gonorrhö gibt es einen Abstrich der Harnröhre oder dem Anus, sowie Tests, für die dir Blut abgenommen werden. Für Hepatitis Viren wird dir ebenfalls Blut abgezapft und bei Warzen wird ein Abstrich gemacht oder eine Wucherung herausgeschnitten und im Labor untersucht. Das ist aber alles relativ schmerzfrei, und sich durchtesten zu lassen ist ein echt gutes Gefühl (erinnert euch an meine Worte!).

«Ich habe eine STD, was nun?»

Zuerst einmal: keine Panik. Für Chlamydien, Gonorröh und Syphillis gibt es Antibitotika (entweder eine Spritze in den Popo, eine Tablette oder beides). Bei einer HIV Infektion dagegen gibt es hoch effiziente anti-Retrovirale Therapien, die du zwar das ganze Leben nehmen musst, aber den Virus vollumfänglich in den Griff bekommen. Die Zeiten, in denen HIV eine tödliche Erkrankung ist haben wir nämlich glücklicherweise im letzten Jahrtausend gelassen. Schäme dich nicht, wenn bei dir eine STD gefunden wird,  sondern zeige Grösse, indem du es deinen Sexualpartner*innen mitteilst, damit auch Sie sich testen lassen. Sobald du eine dich behandeln lassen hast, bist du dann auch bald nicht mehr ansteckend, und kannst dein Sexualleben weiter geniessen; dies im Wissen, über deine sexuelle Gesundheit dir im Klaren zu sein und – nicht wie unser Komponist Leverkühn – die geistige Erleuchtung ohne Syphilis zu erlangen.

Sex, Sexuelle Gesundheit