Skip to main content

Verfügbarkeit vs. Verbindlichkeit

Ich ertappe mich immer mal wieder beim scrollen durch die Dating Apps – obwohl ich in (sehr) glücklichen und befriedigenden Beziehungen lebe. Und ich frage mich dann oft, was ich eigentlich suche. Denn eine weitere Beziehung mit emotionalem und zeitlichem Investment ist es definitiv nicht. Auch alle (ansonsten hauptverdächtigen) Bedürfnisse nach Abenteuer, Abwechslung, oder Exploration sind sehr gut abgedeckt. Es fühlt sich ein Stück weit an wie das Equivalent zum vor-dem-Schaufenster-stehenbleiben – in Läden deren Preise ich gar nicht bereit bin zu zahlen. Aber trotzdem üben sie eine Faszination aus. Warum nur?

Wenn ich genauer hinschaue, dann fällt mir auf, dass diese Momente oft auftauchen wenn ich mich einsam, unverstanden oder unvollständig fühle. Wenn ich gerade mal nicht die Kraft aufbringe in die bestehenden Beziehungen zu investieren, oder die geliebten Menschen gerade anderweitig orientiert sind. Wenn ich woher-auch-immer das Gefühl habe, die Dinge müssten zugänglich und einfach sein für mich. Dann wandert mein Denken, von der Suche nach Verbindlichkeit, in die Suche nach Verfügbarkeit.

Und das endet meistens in angebrochenen Kontaktaufnahmen bevor sie zu Ende gedacht – geschweige denn gelebt werden können. Vorwiegend mit Personen, deren Profile meiner Fantasie zu viel Raum gelassen haben: Eine unscharfe, angeschnittene Schulter und der Kurzbeschrieb ‚dance, dance, dance‘ lassen mich – in diesem Zustand – doch allen Ernstes gemeinsames Reisen, endloses Kuscheln, tief philosophische Gespräche und ekstatischen Sex vermuten. Einfach weil ich es mir so fest herbeiwünsche in diesem Moment.

Ich übe mich darin, mich in solchen Momenten, auf das was ist zu besinnen und nicht das was (bei näherem hinschauen gar nicht) sein könnte. Das ist schwierig für mich, aber konfrontiert mich mit meinen Themen und bietet mir Möglichkeiten zur Entwicklung. Denn, wie auch am Schaufenster im Laden, sehe ich in solchen Momenten schlussendlich wohl vor allem die Spiegelung von mir selbst.

Erfahrungsberichte


Marc

Hat das Buch ‚ethical slut‘ gelesen und ist seither Feuer und Flamme für Polyamorie. Er greift nach den Sternen und will mutig seinen Weg finden. Freude im Leben reicht ihm nicht, er will Euphorie. Hat vermutlich ein ADHS, aber mag sich eigentlich so.