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Vertrauen

In Gesprächen mit den von mir geliebten Menschen, fallen manchmal Sätze die mich verunsichern. «Ich überlege mir auszuwandern» beispielsweise. Oder «ich habe da jemanden unglaublich tolles kennengelernt». Auch «ich will meine Zukunft nicht festlegen» oder «ich weiss nicht ob ich das mit dir teilen kann» lassen mich manchmal etwas bangen.

Warum? Es sind allesamt Sätze, die mich mit dem Verlassenwerden in Verbindung bringen. Und obwohl die gesamte Polyamorie Thematik nicht in das Standardraster fällt, bedient mein Verstand sich dennoch fleissig der gängigen das-ist-der-Anfang-vom-Ende Beziehungsdramen. Ich hinterfrage dann bald mal die Absichten meines Gegenübers mit mir. Hat er meine Bedürfnisse überhaupt im Blickfeld? Sieht er mich? Bin ich einkalkuliert in seine Lebenspläne? Ich frage mich, ob er mich nur benutzt, ich möglicherweise gar nicht wichtig bin oder die Beziehung bereits einseitig geworden ist. Ich zweifle an seiner Zuverlässigkeit, fühle mich hintergangen und abgewertet. (Was erlaubt er sich frei zu sein während ich mich an ihn gebunden habe!?) Ich merke, wie meine Vertrauen in diesen geliebten Menschen, zu Schwanken beginnt.

Ich habe dann jeweils den starken Reflex, ihn festzuhalten und Regeln aufzustellen. Ich könnte ihm vielleicht ein umfassendes Versprechen entlocken. Wir könnten gegenseitige Exklusivrechte aushandeln. Oder Kontrollpunkte setzen, die wir regelmässig überprüfen – alles Massnahmen um seine Optionen, auf ein für mich ertragbares und kalkulierbares Minimum senken. Das würde es einfacher machen für mich, ihm (wieder) zu vertrauen.

Gewöhnlich merke ich dann aber, dass ich noch immer mit einer – inzwischen lauwarmen – Tasse Tee am Fenster sitze und nach draussen starre. Der geliebte Mensch steht noch immer unter der Dusche und das prasselnde Wasser umschliesst sanft die übrigen Geräuschen um mich herum. Meine Gedanken sind mal eben durchgebrannt.

Und dann fällt’s mir auch wieder ein. Es ist nicht die Eingrenzung von Optionen, die mein Gegenüber bei mir behalten kann. Sondern seine Entscheidung, trotz all seiner Optionen mit mir zu sein – wenn er denn will. Es ist seine Entscheidung mich immer wieder zu sehen. Sich auf mich einzulassen. Platz für mich zu schaffen. Dieses schönste aller Gefühle zu erwecken, dass ich ihm, in diesem Moment, wichtig bin.

Ich nehme mich also zurück. Atme tief durch. Trinke meinen Tee fertig und besinne mich auf das, was gerade ist. Wer weiss schon was die Zukunft bringt und ich werde ja dann auch dabei sein und kann für mich einstehen. Wird schon werden.


Yanna

Hat noch keinen Beschrieb zu ihrer Person. Sie möchte das auch so belassen.