Was Polyamorie in mein Leben bringt
Eines meiner ersten Dates nach der Öffnung meiner Beziehung war mit Elvira. Wir haben uns auf Tinder gematcht und nach wenigen Worten herausgefunden, dass wir an der gleichen Uni studieren. „Psychologie? Ich auch!“
Wir verabredeten uns für einen Kaffee in der Cafeteria. Ich war so unfassbar nervös – meine Erfahrung im Daten von Frauen war noch in den Kinderschuhen und die ganze nicht-monogame Situation war noch sehr neu für mich. Da sassen wir dann, in diesem mit Menschen gefüllten, lebendigen Raum und quatschten. Ich erinnere mich gut daran, dass mich Elviras ruhige Art und ihre tiefen Augen beeindruckten. Ich bin gern in ihrer Nähe.
Dieses Treffen ist nun etwa 3 Jahre her. Elvira und ich waren seither an unzähligen Konzerten, haben getanzt, gelacht, geweint, einander beim Umzug geholfen, Liebeskummer begleitet, Unmengen an Kaffee getrunken und einander tiefe Einblicke in unser Innerstes gegeben. Elvira und ich haben uns nicht im klassischen Sinne verliebt und haben bisher keine geteilte Sexualität (angetrunkenes Rumknutschen mal ausgeklammert). Diese Beziehung durfte sich frei in diejenige Richtung entwickeln, in die sie wollte. Es fühlte sich immer sehr richtig an, so wie es gerade war.
Wäre ich nicht poly geworden, wäre ich Elvira warscheinlich nie begegnet. Und vielen anderen Menschen, mit welchen ich heute wertvolle Freundschaften geniesse auch nicht. Ich realisiere immer wieder, dass diese Art zu leben so unzählige, in sich verwobene Auswirkungen auf mein Leben hat. Eine ganze Fülle an zwischenmenschlichen Schätzen hat sich mir eröffnet. Ich glaube eine Bezieung, die alles sein dürfte und sich dann ihre Form frei suchen kann, trägt eine sehr fruchtbare Qualität in sich. Genau das macht mich sehr glücklich in der Polyamorie: Erwartungsfreie Begegnungen, die intimen Austausch zwischen zwei Menschen ermöglichen, ohne dass schon einen Bauplan für die Zukunft (oder auch nur die nächsten paar Schritte) besteht.