Wo führt das hin?
«Es ist wichtig für mich, dass ich meine Autonomie spüre. Ich muss mich von Zeit zu Zeit vergewissern können, dass ich auch ausserhalb von uns existiere. Und da können intime Begegnungen mit anderen Menschen helfen. Ich möchte dir damit nicht weh tun – im Gegenteil – ich glaube, dass ich dir eine bessere Partnerin sein kann, wenn ich ausgeglichen bin.»
Na toll, da kann ich ja nichts mehr erwidern, denke ich dann. Natürlich wünsche ich meiner Partnerin, dass sie ausgeglichen ist. Was für ein Monster wäre ich, wenn ich ihr das absprechen würde. Aber sieht sie denn nicht, was da passiert? Heute ist es noch ein Treffen, Morgen schon ein Wochenende am See und dann kommt auch gleich die gemeinsame Wohnung hinterher. Unsere Liebe wird kälter, wir schweigen uns beim Essen an und der gemeinsame Sex muss ja offenbar eh langweilig sein. Und ganz langsam driften wir auseinander und alles was wir uns aufgebaut und erträumt haben geht verloren.
Ich mache mir Sorgen.
Wo soll denn das hinführen?
Hand aufs Herz. Solche Situationen gehören mitunter zu den schwierigsten Momenten die einer Beziehung widerfahren können. Und oftmals fehlen uns Informationen dazu, wie sie einigermassen kompetent gemeistert werden können (unsere patriarchale Gesellschaft und der Mainstream vermittelt auch nicht unbedingt rosige Aussichten, wenn ein:e Partner:in ausserhalb der Beziehung sexuell aktiv wird). Und gerade dieses nicht vorhandene (oder zumindest nicht differenzierte) Wissen lädt uns ein die Lücken selber zu füllen. Mit unseren Ängsten, Bedenken und Sorgen.
Ich kann mir schon vorstellen, mal einen Abend alleine zuhause zu sein und zu wissen, dass meine Partnerin gerade mit jemand anderem ist. Aber das geht nur, wenn ich weiss, dass unsere Beziehung dadurch nichts einbüsst.
Und genau hier liegt eine Schwierigkeit.
Meine Partnerin füllt diese ‚Lücke in der Zukunft‘ mit positiven Gedanken. Sie glaubt sogar, mir eine bessere Partnerin sein zu können. Ich hingegen fülle diese Lücke mit eher schwierigen Gedanken und befürchte, dass nun alles auseinander fällt. Eigentlich wissen wir aber beide nicht, was auf uns zu kommt. Die Psychologie vermutet, dass dieses Phänomen mit dem Nervensystem zusammen hängt und uns je nach Zustand, auch nur gewisse Szenarien zugänglich sind .
Was ist also zu tun? Durchatmen. Reden. Erklären. Zuhören. Anerkennen, dass beide Wirklichkeiten real sind und Platz haben wollen. Niemand kann die Zukunft vorwegnehmen, diese wird glücklicherweise erst noch (gemeinsam) geschaffen. Und wenn wir lernen das heute zu meistern, dann sollte auch das morgen gehen – wenn es dann zum heute geworden ist.
The School of life hat übrigens ein tolles Video zum Thema Sorgen gemacht.